News aus dem französischen Arbeitsrecht
Nicola KÖMPF
Der frz. Kassationshof hat kürzlich einige Punkte klargestellt, die für deutsche Unternehmen, die Arbeitnehmer in Frankreich beschäftigen, von erheblicher Bedeutung sind
- Der Betriebsleiter eines deutschen Unternehmens kann ggfs. einen Arbeitnehmer eines anderen Konzernunternehmens in Frankreich entlassen
Die Durchführung eines Kündigungsverfahrens fällt grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung des Unternehmens, das den betreffenden Arbeitnehmer beschäftigt.
Die Geschäftsführung kann diese Befugnis jedoch an einen anderen Mitarbeiter des Unternehmens delegieren, der in die Personalverwaltung eingebunden ist (z. B. den Personalleiter (Cass. Ch. Mixte 19.11.2010 Nr. 10-10.095) oder den Finanzdirektor (Cass. Soc. 18.11.2003 Nr. 01-43.608), nicht jedoch an eine Person, die nicht zum Unternehmen gehört (Cass. Soc. 20.10.2021 Nr. 20-11.485).
Die neuste Rechtsprechung hat den Begriff „fremde Person“ in Unternehmensgruppen genauer definiert und entschieden (Cass. Soc. 28.06.2021 Nr. 21-18.142), dass ein Generaldirektor einer Muttergesellschaft unter bestimmten Bedingungen einen Arbeitnehmer einer Tochtergesellschaft, deren Aktivitäten er beaufsichtigt, entlassen kann (Cass. Soc. 13.06.2018 Nr. 16-23.701), ebenso wie der Geschäftsführer eines anderen Unternehmens des Konzerns, der vom Geschäftsführer des Arbeitgeberunternehmens beauftragt wurde, insbesondere die Geschäftsabläufe und die Personalverwaltung der Tochtergesellschaft zu leiten (Cass. Soc. 28.06.2021 Nr. 21-18.142).
Die Personalleiterin einer Konzerntochter kann jedoch einen Arbeitnehmer einer anderen Konzerntochter nicht kündigen, wenn nicht nachgewiesen wird, dass sie in dieser anderen Tochtergesellschaft Direktionsbefugnisse innehatte (Cass. Soc. 20.10.2021 Nr. 20-11.485).
Da die fehlende Vertretungsmacht bis zur Nichtigkeit der Kündigung reichen kann, empfiehlt es sich, die Vertretungsbefugnisse sorgfältig zu prüfen, bevor ein Kündigungsverfahren in einer Tochtergesellschaft in Frankreich eingeleitet wird.
- Kann man sich gegenüber einem frz. Arbeitnehmer, innerhalb eines internationalen Konzerns, auf einen Incentive-/Bonusplan berufen, der in Englisch verfasst ist?
In vielen internationalen Unternehmensgruppen ist die gemeinsame Sprache Englisch. Insbesondere Incentiv-/Bonuspläne werden für alle Arbeitnehmer, auch für die, die bei einer frz. Tochtergesellschaft beschäftigt sind, einheitlich in Englisch verfasst. Gemäß Artikel L.1321-6 des Arbeitsgesetzbuchs muss jedes Dokument, das Verpflichtungen für den Arbeitnehmer enthält, die für die Ausführung seiner Arbeit erforderlich sind, in französischer Sprache verfasst sein, mit Ausnahme von Dokumenten, die aus dem Ausland stammen. Die Festlegung von Zielen eines Arbeitnehmers in Frankreich muss daher zwangsläufig aus einem in französischer Sprache verfassten Dokument hervorgehen, auch wenn die Tätigkeit des Unternehmens internationalen Charakter hat (Cass. Com. Soc. 03.05.2018 Nr. 16-13.736).
Die aktuelle Frage war (Cass. Soc. 07.06.2023), ob ein von der amerikanischen Muttergesellschaft in Englisch verfasster Bonusplan einem französischen Arbeitnehmer entgegengesetzt werden kann, oder ob ihm mangels eines Dokuments in Französisch der volle Bonus zusteht. Der frz. Kassationshof war der Ansicht, dass zur Beantwortung dieser Frage vorab festgestellt werden müsse, ob dieses Dokument aus dem Ausland stammt oder nicht. Daraus lässt sich ableiten, dass ein Dokument, das direkt aus dem Ausland an den französischen Arbeitnehmer gerichtet ist, diesem gegebenenfalls entgegengehalten werden könnte, auch wenn es in Englisch verfasst ist. Wir raten daher dringend, alle für französische Arbeitnehmer bestimmte Dokumente in Französisch zu verfassen/übersetzen zu lassen, da sonst die Gefahr besteht, jeweils den vollen Betrag zahlen zu müssen.
Für Fragen im frz. Arbeits-/Handels-/und Gesellschaftsrecht steht Ihnen unser German desk jederzeit zur Verfügung.
Nicola Kömpf, Avocat/Rechtsanwältin, Partner