Zwingende Mitarbeitergespräche nach französischem Recht oder was viele ausländische Arbeitgeber nicht wissen!

UPDATE : Das frz. Arbeitsministerium hat kurzfristig entschieden, die Fristen für die „entretiens professionnels“ (Mitarbeitergespräche) bis zum 30. September, statt nur bis zum 30. Juni, zu verlängern.

Achtung, vor dem 30. September 2021 müssen die „entretiens professionnels“ (Mitarbeitergespräche bezüglich der beruflichen Situation sowie Perspektiven und Fortbildung) durchgeführt werden.

In Deutschland werden Mitarbeitergespräche als Maßnahmen der Personalführung eingesetzt und erfolgen in verschiedenen Zeitintervallen, die meistens vom Arbeitgeber vorgegeben werden.

In Frankreich gibt es strenge gesetzliche Vorgaben, in welchen Intervallen welche Art von Gespräch mit den Arbeitnehmern durchgeführt werden muss. Gegebenenfalls können Tarifverträge oder Betriebsordnungen jeweils kürzere Zeitperioden vorsehen.

Neben verschiedenen anderen Mitarbeitergesprächen (z.B. für Mitarbeiter mit Jahrestagespauschale („forfait jours“) oder Telearbeiter) gibt es zwei Hauptarten von Mitarbeitergesprächen, einerseits die sog. „entretiens professionnels“, die Thema dieses Newsletters sind, und die sog. „entretiens d’évaluation“, d.h. die Jahresgespräche, wo Arbeit und Leistung im vergangenen Jahr und Ziele und Entwicklung für die Zukunft thematisiert werden.

Letztere sind nicht zwingend, es sei denn, der anwendbare Tarifvertrag oder die Betriebsordnung sehen etwas Gegenteiliges vor. Sie sind jedoch üblich und tragen positiv zur Personalentwicklung bei.

Die „entretiens professionnels“ sind in Art. L.6315-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs verankert und haben seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2014 an Wichtigkeit gewonnen.

Hier ist zu unterscheiden zwischen regelmäßigen „entretiens professionnels“ alle zwei und alle sechs Jahre und den Gesprächen, die nach einer längeren Abwesenheit (Mutterschutz, Elternurlaub, Langzeitkrankheit, etc.) eines Mitarbeiters geführt werden müssen.

Letztere müssen vom Arbeitgeber angeboten werden, der Arbeitnehmer kann diese jedoch wahrnehmen oder nicht.

Die anderen regelmäßigen „entretiens professionnels“ sind für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite grundsätzlich Pflicht.

Aufgrund der sanitären Krise wurde die Frist für alle Gespräche („entretiens professionnels 2 ans/6 ans“), die zwischen Januar 2020 und Juni 2021 hätten stattfinden müssen, bis zum 30. September 2021 verlängert.

Arbeitgeber müssen sich daher nun schnell organisieren, um diese Gespräche vor oder nach den Sommerferien umzusetzen.

Inhalt der Gespräche alle 2 Jahre müssen die berufliche Situation/Ausbildung des Arbeitnehmers in Bezug auf seinen Arbeitsplatz sein, sowie eine ausführliche Belehrung zu seinen Rechten auf Fortbildung, während und außerhalb der Arbeitszeit, die Möglichkeit, qualifizierende Diplome durch Arbeit zu erwerben, als auch ein Vorschlag, wie die berufliche Karriere weiterentwickelt werden könnte, etc.

Die Gespräche alle 6 Jahre unterliegen strengeren Vorschriften, insbesondre muss nachgewiesen werden, dass Fortbildungen, sowohl zwingende als auch mindestens eine nicht zwingende, durchgeführt wurden.

Von diesen Gesprächen ist ein Protokoll zu erstellen, das vom Arbeitgeber und Mitarbeiter zu unterzeichnen ist.

Auch wenn Sanktionen bei Nicht-Einhaltung dieser Gesprächspflichten, nur für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern, ausdrücklich vom französischen Gesetzgeber erlassen wurden, werden diese Themen meistens von den Betriebsräten („Comité social et économique“ ab 11 Arbeitnehmern) oder im Rahmen der Anfechtung von Kündigungen aufgegriffen.

Sollten Sie Fragen zu diesen Themen haben, steht unser German Desk gerne zu Ihrer Verfügung.

Nicola Kömpf, Partner, Friedrich Niggemann, Of counsel und Mathilde Gicquel, Angestellte Rechtsanwältin.

Coronabedingte Insolvenzwelle in Frankreich?

Pandemiebedingte Finanzierungsengpässe bestehen derzeit bei mehr als 50% der französischen Unternehmen, jedoch nicht überall im gleichen Ausmaß.

Einerseits hat die Nutzung staatlicher Hilfsmaßnahmen die erwartete Pleitewelle bislang im Zaum gehalten und andererseits, haben zahlreiche Unternehmen die Corona-Ausnahmeregeln genutzt, um sich frühzeitig unter den Schutzschirm des Handelsgerichts zu stellen.

Frankreich hat nämlich anders als Deutschland, kein Insolvenzaussetzungsgesetz erlassen, sondern Ausnahmebestimmungen umgesetzt, um die Eröffnung von Insolvenzvorverfahren zu beschleunigen.

Ab Frühjahr 2021 wird dennoch mit einer massiven Insolvenzwelle in Frankreich gerechnet, insbesondere in der Event- und Restaurationsbranche, aber auch bei Zulieferern der Automobilbranche und im Tourismussektor.

Damit Sie als Unternehmer oder Berater den anderen einen Schritt voraus sind, haben wir hiernach zuerst die wichtigsten, normalerweise im französischen Insolvenzrecht geltenden Regeln kurz dargestellt, um dann die derzeitigen Ausnahmeregelungen zu erläutern.

A. Französisches Insolvenzrecht kurzgefasst

1. Verfahrensarten

Tabellarisch hiernach eine kurze Einführung in das französische Insolvenzrecht, das schon seit 1985 insbesondere auf die Fortführung der Geschäftsstätigkeit und die Erhaltung von Arbeitsplätzen abzielt, mehr als auf Gläubigerbefriedigung.

Aus diesem Grund gibt es eine Reihe von sogenannten „Vorverfahren“, die vor Zahlungsunfähigkeit und befristet danach möglich sind (Ad hoc Verwalter, Schlichtung, Rettungsverfahren).

Der zentrale Begriff des französischen Insolvenzverfahrens liegt in der Zahlungsunfähigkeit („cessation des paiements“), einziger Insolvenztatbestand nach französischem Recht.
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen mit den ihm zur Verfügung stehenden seine fälligen Forderungen nicht mehr begleichen kann.

Binnen 45 Tagen ist dann grundsätzlich Insolvenz oder Liquidation anzumelden.

Tabellarische Darstellung französischer Vor- und Insolvenzverfahren

2. Auswirkungen auf laufende Handelsverträge

Die Kündigung von laufenden Verträgen zum Zeitpunkt der Eröffnung eines Rettungs- oder Sanierungsverfahrens aufgrund dieser Eröffnung ist untersagt (Art. L.622-13 und L.631-14 des französischen HGB). Nur der Insolvenzverwalter hat das Wahlrecht, einen laufenden Vertrag fortzuführen oder zu kündigen. Entscheidet er sich für die Fortführung, muss er die Zahlung für Forderungen, die nach Eröffnung entstehen, garantieren. Um vertragliche Unsicherheit zu vermeiden, sollten Gläubiger den Insolvenzverwalter per Einschreiben mit Rückschein nach seiner Position fragen. Antwortet er nicht, endet der Vertrag automatisch einen Monat nach Erhalt der Anfrage.

3. Forderungsanmeldungen und Geltendmachung von Herausgabe-ansprüchen

Forderungen sind beim Gläubigervertreter (mandataire judiciaire) binnen 2 Monaten (+2 Monate für ausländische Gläubiger) nach Veröffentlichung des Eröffnungsurteils im BODACC anzumelden. Herausgabeanträge sind binnen 3 Monaten beim Insolvenzverwalter (administrateur judiciaire) zu stellen. Achtung: es handelt sich hier um Ausschlussfristen!

4. Unternehmenskauf aus der Insolvenz

Nach französischem Recht ist der Verkauf eines insolventen Unternehmens aus einem Rettungs- oder Sanierungsverfahren nur in Betracht zu ziehen, wenn keine Fortführung möglich ist. Seit 2014 gibt es jedoch auch die Möglichkeit eines Pre-Packs, d.h. einer vorbereiteten Abwicklung.

Grundsätzlich steht ein Unternehmen jedoch erst ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (redressement judiciaire) zum Verkauf. Der Insolvenzverwalter schreibt die betroffenen Unternehmen (Aktiva) zum Verkauf aus und bestimmt die Fristen, binnen derer die Übernahmeangebote bei ihm einzureichen sind (meistens stehen nur wenig Informationen zur Verfügung). Diese Informationen werden auch beim Handelsgericht veröffentlicht.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten zum Verkauf stehende insolvente Unternehmen in Frankreich zu suchen, z.B.: über die Datenbank der Insolvenzverwalter www.aspaj.fr oder www.verif.com/Hit-parade/03-Defaillance/01-Par-departement/.

B. Vorübergehende Ausnahmeregelungen in der sanitären Krise

1. Einfachere Voraussetzungen für ein beschleunigtes Rettungsverfahren („conditions d’ouverture simplifiées pour des procédures de sauvegarde accélérées“)

Normalerweise ist ein beschleunigtes Rettungsverfahren nur möglich, wenn der Schuldner einen konsolidierten Jahresabschluss erstellt und mindestens eine der drei folgenden Schwellenwerte überschreitet:

• 20 Arbeitnehmer oder mehr zum Zeitpunkt des Antrags

• Mindestens 3 Mio € Umsatz pro Jahr ohne MwSt.

• Mindestens 1,5 Mio € Bilanzsumme.

Ausnahmsweise gelten diese Schwellenwerte/Voraussetzungen nicht für beschleunigte Rettungsverfahren, die bis spätestens am 31. Dezember 2021, eingeleitet werden.

2. Vereinfachtes Alarmverfahren für den Abschlussprüfer („Procédure d’alerte simplifiée pour le commissaire aux comptes“)

Normalerweise muss der Abschlussprüfer die Geschäftsführung informieren, sobald er Kenntnis von Tatsachen erlangt, die die Fortführung der Geschäftstätigkeit gefährden und ein sog. Alarmverfahren („procédure d’alerte“) einleiten.

Dieses Verfahren erfolgt in 4 Schritten insofern eine Etappe nicht erfüllt wird.:

1. Benachrichtigung der Geschäftsführung mit der Aufforderung mitzuteilen, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Situation zu verbessern.

2. Benachrichtigung des Verwaltungsrats mit der gleichen Auflage

3. Einberufung einer Gesellschafterhauptversammlung

4. Information des Handelsgerichts und Vorladung der Geschäftsführung

Ausnahmsweise kann der Abschlussprüfer bis zum 31. Dezember 2021 bei Eilbedürftigkeit und wenn die Geschäftsführung nicht nach erster Aufforderung die notwendigen Maßnahmen ergreift, sofort den Präsidenten des zuständigen Handelsgerichts über die gesamte Sachlage informieren und ist hierbei vom Berufsgeheimnis entbunden. Der Geschäftsführer wird dann kurzfristig beim Gericht vorgeladen, um sich zu erklären.

3. Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen während des Schlichtungsverfahrens („suspension des poursuites pendant la procédure de conciliation“)

Normalerweise können Gläubiger, auch wenn sie an der Verhandlung von Schlichtungsmaßnahmen teilnehmen, währenddessen weiter ihre Rechte gegen den Schuldner durchsetzen, solange keine gütliche oder gerichtlich anerkannte Schlichtung erfolgt ist. Der Schuldner kann jedoch jederzeit nach Abmahnung eine Gnadenfrist von bis zu 2 Jahren beantragen, um die laufende Vollstreckung zu vermeiden.

Ausnahmsweise kann der Schuldner bis zum 31. Dezember 2021 (auch in laufenden Verfahren) sogar schon vor Abmahnung oder Vollstreckung eine Gnadenfrist beantragen, wenn ein Gläubiger der Aussetzung auf Aufforderung des Schlichters nicht innerhalb der Frist von 15 Tagen zugestimmt hat. Er kann auch die Aussetzung laufender Gerichtsverfahren oder das Verbot, ein solches Verfahren einzuleiten, beantragen, sowie die Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen und die Vertagung oder Stundung von geschuldeten Summen.

Die Aussetzung endet mit dem Ende des Mandats des Schlichters. Zu beachten ist, dass ein Antrag pro Gläubiger zu stellen ist.

4. Privileg für „New Money“ oder „Post Money“

Bis zum 31. Dezember 2021 werden Personen, die während der Überwachungsperiode einen Geldzufluss zusagen, um die Fortführung der Geschäftstätigkeit zu sichern und diejenigen, die eine solche Verpflichtung für die Durchführung eines Sanierungs- oder Fortführungsplans oder im Rahmen der Änderung eines Plans übernehmen, zukünftig vor allen anderen Gläubigern (außer den Angestellten) befriedigt.

Diese Sonderregelung gilt nicht für Teilhaber oder Aktionäre, die im Rahmen einer Kapitalerhöhung Geld einbringen.

5. Verlängerung von Fortführungs- und Rettungsplänen („Prolongation de plans de sauvegarde et de redressement“)

Normalerweise ist die Dauer von Rettungs- und Fortführungsplänen auf 10 Jahre begrenzt.

Ausnahmsweise kann das Gericht auf Antrag bis zum 31. Dezember 2021 einen solchen Plan um ein Jahr verlängern.

Auf Antrag des Staatsanwalts oder des Verwalters, der die Ausführung des Plans überwacht („commissaire à l’exécution du plan“) kann ein Plan sogar um 2 Jahre, d.h. maximal 12 Jahre insgesamt, verlängert werden.

6. Vereinfachte Prozedere im Rahmen von Rettungs- und Fortführungsplänen („procédés simplifiés dans le cadre de plans de sauvegarde et de redressement“)

a. Kürzere Fristen

Normalerweise haben die Gläubiger eine Frist von einem Monat, um zu einem Sanierungs- oder Insolvenzplan Stellung zu nehmen.

Ausnahmsweise, und bis zum 31. Dezember 2021, wurde diese Frist auf 15 Tage verkürzt.

b. Einfachere Befragungsmethode

Normalerweise wird mit Einschreiben per Rückschein gearbeitet.

Ausnahmsweise, und bis zum 31. Dezember 2021, können alle Mittel für die Befragung eingesetzt werden.

c. Vereinfachte Basis für Rettungs- und Insolvenzpläne

Normalerweise müssen solche Pläne die Rückzahlung aller angemeldeter und bekannter Forderungen beinhalten, d.h. auch die bestrittenen Forderungen.

Ausnahmsweise, und bis zum 31. Dezember 2021 (auch für laufende Verfahren), müssen die Pläne nur, vorausgesetzt es liegt ein Attest eines Abschluss- oder Wirtschaftsprüfers vor, angemeldete oder nicht bestrittene, sowie identifizierbare Forderungen berücksichtigen.

Schlussfolgerung:

Die Coronakrise setzt und wird auch weiterhin der Wirtschaft zusetzen.

Je besser man das französische Insolvenzrecht durchschaut, umso mehr kann man als Berater oder für sein Unternehmen Vorteile daraus ziehen oder die Gelegenheit nutzen, ein angeschlagenes Unternehmen mit hohem Potential zu einem guten Preis zu erwerben.

Wir stehen Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung.

Bitte beachten Sie, dass sich die Gesetzeslage ständig ändert und die obenstehenden Angaben dem Stand 15. Januar 2021 entsprechen.

Nicola Kömpf, Avocat au Barreau de Paris et Rechtsanwältin Berlin, Leiterin des German Desk

in Zusammenarbeit mit Gilles Podeur, Avocat au Barreau de Paris, Leiter der Praxisgruppe Restructuring

Verbraucherrecht und Schiedsvereinbarung

Auch wenn sich das Verbraucherrecht und die Schiedsgerichtsbarkeit nur selten begegnen, kommt es doch von Mal zu mal zu Situationen, in denen der Verbraucher, oft im Rahmen von AGB, einer Schiedsklausel zustimmt und dann im Streitfall versucht sich davon zu lösen.

Während die rigorose Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO diese Fälle im deutschen Recht bis auf wenige Fälle Abhilfe geschaffen hat , ist die Rechtslage in Frankreich komplizierter. Ein wichtiges, die bisherige Rechtslage änderndes Urteil der Cour de cassation vom 30.09.2020 ( Nr.18-19.241) gibt Anlass, den Hintergrund kurz zu beleuchten und die Entscheidung darzustellen.

Das französische Schiedsverfahrensrecht unterscheidet zwischen nationalen und internationalen Schiedsverfahren. Diese Unterscheidung wirkt sich auch beim Verbraucherschutz aus. Bei nationalen Schiedsverfahren bestimmt seit einem Gesetz aus dem Jahre 2016 Art. 2061 Abs. 2 Code civil, dass Schiedsvereinbarungen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher für den Verbraucher „optional“ sind; der Verbraucher kann entscheiden, ob er sich an die Schiedsvereinbarung gebunden fühlt oder nicht.

In internationalen Verfahren war die Rechtslage bis zu der hier behandelten Entscheidung des Kassationsgerichtshofs vom 30.09.2020 für den Verbraucher sehr viel nachteiliger. In zwei Entscheidungen aus den Jahren 1997 (21.05.1997, Nr. 95-11.427 „Jaguar“) und 2004 30.03.2004 (Nr. 02-123-259 „Rado“) hatte der Kassationsgerichtshof geurteilt, dass der Verbraucher an die Schiedsvereinbarung gebunden ist. Im ersten Fall ging es um ein in England bestelltes Jaguar Fahrzeug mit Spezialausstattung, in der Entscheidung aus dem Jahre 2004 um Finanzanlagen mit zwei US Banken in New York. Die Schiedsvereinbarungen sahen ein Schiedsgericht in England bzw. New York vor. Die französischen Gerichte lehnten es ab, die Schiedsvereinbarung genauer auf ihre Vereinbarkeit mit den französischen oder europäischen Verbraucherschutzvorschriften hin zu untersuchen. Das sei Aufgabe des Schiedsgerichts.

Die rechtlichen Begründungen dieser beiden Entscheidungen liegen in zwei Besonderheiten des französischen Schiedsverfahrensrecht begründet: Bei internationalen Schiedsverfahren unterliegt die Schiedsvereinbarung keinem nationalen Recht, sondern schöpft ihre Bindungswirkung aus den Grundsätzen des internationalen Rechts. Die Grenzen der Zulässigkeit werden durch den internationalen ordre public bestimmt.

Art. 2061 Code civil findet deshalb keine Anwendung auf internationale Schiedsverfahren.

Der zweite Grund liegt im Prinzip der negativen Kompetenz – Kompetenz, eine Folge der Einrede der Schiedsvereinbarung, Art. 1448 Code de procédure civile (CPC) i.V.m. Art. 1502 CPC. Danach müssen sich die ordentlichen staatlichen Gerichte bei Erhebung der Einrede für unzuständig erklären, es sei denn, das Schiedsgericht ist noch nicht mit der Sache befasst und die Schiedsklausel ist nicht offensichtlich unanwendbar oder offensichtlich unwirksam.

In der Entscheidung der Cour de cassation vom 30.09.2020 ging es um folgenden Sachverhalt: Eine in Frankreich ansässigen Erbin (Klägerin) eines in Spanien verstorbenen Erblassers hatte mit einem spanischen Rechtsanwaltsbüro einen Beratungsvertrag über erbrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dieser Erbschaft abgeschlossen. Die AGB des spanischen Rechtsanwaltsbüros enthielten eine Schiedsvereinbarung zugunsten der in Madrid ansässigen Schiedsorganisation CIMA. Die Erbin war mit den Leistungen des spanischen Rechtsanwaltbüros nicht zufrieden und verklagte es (neben weiteren Personen) vor dem Landgericht Nanterre auf Schadensersatz. Das beklagte Rechtsanwaltsbüro erhob die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit.

Bereits die Vorinstanz (Cour d’appel de Versailles) hatte die Einrede unter Berufung auf den zwingenden Charakter von Verbraucherschutzvorschriften zurückgewiesen und sich damit gegen die bisherige Rechtsprechung gestellt. Die Cour de cassation bestätigte das Urteil und ändert damit ihre bisherige Rechtsprechung.

Sie greift zu diesem Zweck nicht auf das französische, sondern auf das europäische Verbraucherrecht zurück. Die Argumentation nimmt ihren Anfang bei der EU Richtlinie 13/93 vom 5.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.

Die Cour de cassation prüft zunächst, aus welchem Grund eine EU Richtline auf diese Schiedsklausel überhaupt Anwendung findet. Sie findet die Begründung in Art. 6 Rl 13/93, der eigentlich nur die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten vorsieht, die Richtlinie konform umzusetzen, so dass die ungleichgewichtigen Vertragsbestimmungen den Verbraucher nicht binden. Allerdings zitiert der Kassationsgerichtshof das Urteil des EuGH vom 20.09.2018 (OTP Bank /OTP Faktoring, C 51/17, Zif. 89), wonach Art. 6 RL 13/93 einer zwingenden nationalen Vorschrift gleichzusetzen sei. Der Kassationsgerichtshof fügt, ebenfalls unter Hinweis auf das EuGH Urteil OTP (dort Zif. 86) unter Hinweis auf Art. 7 § 1 der Rl 13/93 und Erwägungsgrund 24 hinzu, dass der Verbraucherschutz im gemeinschaftsrechtlichen Normgefüge eine grundlegende Bedeutung habe. Den Verbrauchern müssen adäquate und wirksame Mittel und Wege zur Durchsetzung ihrer Rechte zur Verfügung stehen, wozu die Einleitung eines Gerichtsverfahrens unter vernünftigen Bedingungen zähle, insbesondere hinsichtlich der Kosten und der Fristen (EUGH 21.04.2016 Radinger,C 377/14 , Zif. 46).

Zwar hätten die Mitgliedsstaaten mangels einer europäischen Zivilverfahrensordnung eine verfahrensrechtliche Autonomie. Diese sei aber insofern beschränkt, als sie eine Äquivalenz der Rechtsdurchsetzung in europäischen Verfahren im Vergleich zu nationalen Verfahren gewährleisten müsse. Diese Mittel dürften die Rechtsdurchsetzung in der Praxis weder unmöglich noch außerordentlich schwierig machen. Der erwähnte Art. 1448 CCP dürfe dies nicht zur Folge haben. Das Berufungsgericht habe deshalb mit zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Schiedsklausel als offensichtlich missbräuchlich angesehen. Die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit wird deshalb zurückgewiesen.

Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern in internationalen Streitigkeiten sind damit nach französischem Recht unwirksam, zumindest, wenn sie sich in AGB befinden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Schiedsordnung fair oder unfair ist, ob sie die Rechts des Verbrauchers voll gewährleistet oder sie einschränkt. Weder der Kassationshof noch das Berufungsgericht haben diese Frage überhaupt geprüft.

Die Begründung der Entscheidung wirft, wie viele Entscheidungen der Cour de cassation, durchaus Fragen auf, die hier nicht behandelt werden können. Das Ergebnis ist jedoch eindeutig.

Zwei Ausnahmen von dieser Regel sind möglich oder vorstellbar: Wenn die Schiedsklausel „optional“ ist, also dem Verbraucher das Recht einräumt, alternativ die staatlichen Gerichte anzurufen, werden die Rechts des Verbrauchers nicht eingeschränkt.

Möglich erscheint auch, dass eine Schiedsklausel dann Bestand haben könnte, wenn sie speziell verhandelt worden ist. Der Grund dieser Annahme liegt darin, dass der Kassationshof zusätzlich zu den oben geschilderten Gründen im Rahmen eines weiteren Kassationsantrags noch geprüft hat, ob die Klausel im Einzelnen verhandelt wurde. Dies war jedoch nicht der Fall. Zu dieser Prüfung hätte keine Veranlassung bestanden, wenn es darauf nicht hätte ankommen können. Auch die Begründung mit der Richtlinie 13/93 deutet darauf hin. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Nachweis einer speziellen Verhandlung und Vereinbarung schwer zu führen sein wird – dem deutschen Juristen, der die Anforderungen an den Nachweis einer effektive Verhandlung über eine AGB Klausel kennt, ist das nichts Neues.

Nicola Kömpf, Partner, Friedrich Niggemann, Of Counsel und Mathilde Gicquel, Angestellte Rechtsanwältin, German desk

Covid 19 – “Force Majeure” – und neue gesetzliche Fristen im französischen Vertragsrecht

Die zurzeit grassierende Epidemie stellt für viele Unternehmen eine bisher noch nicht dagewesene Herausforderung dar. Ein solches Ereignis ist zu unseren Lebzeiten noch nicht eingetreten; seine Bewältigung ist schwierig und stellt oft eine existenzgefährdende Situation dar. Aus juristischer Sicht fragt man sich dann sofort, ob diese Umstände es rechtfertigen einen Vertrag nicht zu erfüllen oder seine Erfüllung zu verschieben, bzw. auszusetzen.

Was bedeutet „Höhere Gewalt“ bzw. „Force Majeure“?

Dieser Terminus hat seinen Ursprung im französischen Recht; das deutsche Recht kommt weitgehend ohne ihn aus, da eine vertragliche Nichterfüllung ein Verschulden voraussetzt; das ist nach französischem Recht nicht der Fall. Während also im deutschen Recht mangelndes Verschulden ausreicht um eine Vertragspartei nicht haften zu lassen, braucht es im französischen und auch in anderen Rechten mehr: Da eine Vertragspartei auch ohne Verschulden haftet, haftet sie bei jedem Vertragsverstoss, es sei denn, sie kann sich auf ein Ereignis Höherer Gewalt berufen.

Grundsätzliche Voraussetzungen der Höheren Gewalt im französischen Recht

Art. 1218 des Code civil, der seit Oktober 2016 gilt, enthält eine Definition der Force Majeure. nach der vier Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

– das Ereignis muss sich der Kontrolle der Vertragspartei, die sich darauf beruft, entziehen,

– es durfte bei Abschluss des Vertrages nicht vernünftigerweise vorhersehbar sein,

– die Folgen können mit angemessenen Mitteln nicht überwunden werden, und

– diese Umstände müssen die Vertragserfüllung des Schuldners verhindert haben.

Diese Voraussetzungen wurden im Jahre 2016 bei der Reform des Vertragsrechts des Code civil im Gesetz festgeschrieben. Sie entsprechen allerdings dem von der Rechtsprechung vorher schon entwickelten Begriff.

Höhere Gewalt in der augenblicklichen Situation

– Es kann nicht bezweifelt werden, dass die Corvid 19 Epidemie ein sich der Kontrolle des Schuldners entziehendes Ereignis ist. Dieser Definitionsbestandteil ist etwa in Streikfällen problematisch, wobei danach zu unterscheiden ist, ob der Streik nur im Unternehmen des Schuldners stattfindet oder national ist.

– Die augenblickliche Situation ist auch unvorhersehbar. Es kommt dabei nicht auf einen völlig abstrakten Begriff der Vorhersehbarkeit an, sondern, wie das Gesetz auch sagt, auf einen „vernünftigen“ Standpunkt. Epidemien dieser Art hat es in Europa seit 100 Jahren nicht gegeben. Das Gesetz stellt für die Vorhersehbarkeit auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Wird also jetzt ein neuer Vertrag abgeschlossen, können sich die Parteien nicht auf die Epidemie als Entschuldigungsgrund berufen.

– Die Unüberwindbarkeit und die Verhinderung (Unmöglichkeit) sind ist auch in der jetzigen Situation keineswegs immer gegeben. Hier ist vielmehr zu prüfen und zu beweisen, dass das Ereignis die konkrete Vertragserfüllungshandlung unmöglich gemacht hat. Es kommt auf die Ursächlichkeit des Ereignisses an. Wenn es etwa um die Lieferung einer Sache geht, muss der Lieferant nachweisen, dass ihm die Lieferung unmöglich geworden ist. Es reicht nicht aus, auf Transport- oder Versorgungsprobleme hinzuweisen; es muss genau dargelegt werden, wieso diese Probleme die Lieferung unmöglich machen. Dabei ist hervorzuheben, dass ein höherer Aufwand oder höhere Kosten nicht ausreichen. Dieser Mehraufwand muss von der betroffenen Partei getragen werden. Aus Erfahrung kann man sagen, dass der Nachweis der Entlastung durch Höhere Gewalt oft daran scheitert, dass die konkrete Kausalität nicht bewiesen werden kann. Die französische Rechtsprechung ist in der Regel auch zurückhaltend dies zu akzeptieren.

Ein Ereignis Höherer Gewalt kann die Nichtzahlung von Geldschulden nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht entschuldigen; Ausnahmen wären gesetzliche Zahlungsverbote oder Embargobestimmungen.

Die Höhere Gewalt kann die Leistungserbringung dauernd unmöglich machen. Dann ist der Schuldner von seiner Pflicht zur Leistungserbringung befreit (Art. 1218 Abs. 2 i.V.m. 1351 Code civil). Bei einer nur teilweisen Unmöglichkeit tritt die Befreiung für die Teilleistung ein. Das setzt aber voraus, dass die Teilleistung überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Gegenleistung braucht nicht erbracht zu werden; wurde sie schon geleistet, kann sie zurückgefordert werden. Häufig tritt aber nur eine vorübergehende Unmöglichkeit ein. Für diesen Fall bestimmt Art. 1218 Abs. 2, dass nach Beendigung und einer angemessenen Anlaufzeit die Verpflichtung zur Vertragserfüllung wieder einsetzt. Für die Dauer der Höheren Gewalt ist der Schuldner entschuldigt; er braucht keine Vertragsstrafen oder Schadensersatz wegen Verzuges zu leisten; eine Vertragsauflösung wäre auch nicht gerechtfertigt.

Weitere Gesetzesgrundlagen, die in Bezug auf „Force Majeure“, zu beachten sind

– Aus Art. 1351 1 Code civil lässt sich entnehmen, dass die Parteien vereinbaren können, dass der Schuldner das Risiko des etwaigen Eintritts der Force Majeure übernimmt.

– Art. 1351 Code civil besagt weiter: Wenn das Ereignis von Force Majeure eintritt, nachdem der Schuldner vom Gläubiger gemahnt wurde, er also bereits in Verzug war, entlastet ihn die Höhere Gewalt nicht.

– Wird der Vertrag nach Art. 1351 Code civil beendet und hat der Gläubiger vorgeleistet, so kann er seine Leistung zurückverlangen.

– Art. 1218 Code civil bestimmt, dass im Falle einer dauernden Unmöglichkeit der Vertrag von Gesetzes wegen aufgelöst ist. Es ist jedoch unklar, wie man das Ende des Vertrages feststellt; eine formelle Kündigung schafft daher klare Verhältnisse.

– Neben der Force Majeure sieht der Code civil seit der Reform des Vertragsrechts im Jahre 2016 auch den Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, auf Französisch „imprévision“, vor, Art. 1195 Code civil. Dies ist eine völlige Neuerung in unserem Recht. Auch die „imprévision“ setzt ein unvorhersehbares Ereignis voraus, das die Leistungserbringung zwar nicht unmöglich macht, aber außerordentlich erschwert. Ein solcher Fall verpflichtet zur Nachverhandlung des Vertrages; falls das scheitert, wird der Vertrag ggf. mit richterlicher Hilfe aufgelöst. Auch die „imprevision“ kann im Falle der Covid 19 Epidemie eine wichtige Rolle spielen. Allerdings geht der Weg über eine zu verhandelnde Vertragsanpassung, was schwierig sein kann und , für die auf wenig Erfahrung zurückgegriffen werden kann.

Vorsicht bei vertraglichen Anpassungen der „Force Majeure“

Wenn der Vertrag dem französischen Recht unterliegt, gelten die oben dargestellten Grundsätze. Der Vertrag kann aber auch selbst eine Force Majeure Klausel enthalten, die, soweit sie reicht, den gerade dargestellten Regeln vorgeht oder sie ergänzt.

In Verträgen findet man häufig folgende Bestimmungen:

– Eine engere oder weitere Definition der Force Majeure. Insbesondere werden bestimmte Ereignisse aufgelistet, die einen Fall von Force Majeure darstellen sollen. Dies ist zwar rechtlich zulässig, es ist aber Vorsicht geboten: Auch wenn ein vertraglich definiertes Ereignis eingetreten ist, bedeutet das nicht automatisch, dass auch die Rechtsfolgen der Force Majeure eintreten. Auch die sonstigen Voraussetzungen der Force majeure müssen gegeben sein.

– Häufig wird vorgesehen, dass die von der Force Majeure betroffene Partei das Ereignis unverzüglich mitzuteilen hat und die Ereignisse beweisen muss. Die Beweislage unterscheidet sich nicht von der des Gesetzes; die Mitteilungspflicht muss sorgfältig beachtet werden, damit der anderen Partei kein Schaden entsteht.

– Oft wird ein Zeitraum vorgesehen, bei dessen Überschreitung die Parteien den Vertrag beenden können. Solche Klausel sind durchaus gefährlich, da sich daraus die Rückgewähr der erbrachten Leistungen ergeben kann. Eine Verhandlungslösung ist dem vorzuziehen.

– Es kann auch vereinbart werden, dass eine Partei bestimmte Ereignisse zu ihren Lasten nimmt und sich dabei nicht auf Höhere Gewalt berufen kann. Solche Klauseln gibt es bei Beschaffungsverpflichtungen; der Lieferant muss deshalb besondere Vorkehrungen treffen, ggf. durch Abschluss einer Versicherung oder alternative Bezugsquellen.

Bei einer rechtlichen Beurteilung ist immer zuerst von der bestehenden vertraglichen Vereinbarung auszugehen; das Gesetz greift nur insoweit ein, als es die getroffenen Vereinbarungen ergänzt.

Ungerechtfertigte Berufung auf „Force Majeure“

Wir möchten darauf hinweisen, dass die Berufung auf Force Majeure nicht leichtfertig erfolgen sollte. Erweist sich später, dass das Ereignis zwar außerhalb der Kontrolle des Schuldners lag und unvorhersehbar war, aber nicht zu einer Unmöglichkeit der Leistungserbringung geführt hat, ist der Schuldner nicht entlastet und haftet für seine Vertragsverletzung. Es ist sicherer die Situation mittels Verhandlungen und durch Zusammenarbeit zu lösen.

COVID 19 – Eingriff des Gesetzgebers – Fristen im frz. Vertragsrecht – neue Schutzperiode

Nachdem die sanitäre Krise unsere Wirtschaft tief beeinträchtigt, hat die französische Regierung per Verordnung Nr. 2020-306 vom 25. März 2020 eine sog. „Schutzperiode“ („période juridiquement protégée“) festgelegt, während derer Fristen ausgesetzt oder verschoben werden.

Diese Schutzperiode läuft vom 12. März 2020 bis 24. Juni 2020 und gestaltet sich im Überblick wie folgt:

Schwierigkeiten in der Vertragserfüllung und Schutzperiode

Verträge enthalten häufig Vertragsstrafen, Strafklauseln, Kündigungsklauseln, etc. um eine Partei davor zu schützen, dass die andere ihren Vertragspflichten nicht fristgerecht nachkommt (z.B. Liefer- oder Zahlungsverzug).

• Sollte eine solche Frist während der Schutzperiode auslaufen, d.h. zwischen dem 12. März 2020 und dem 24. Juni 2020, ist die entsprechende Klausel unwirksam und keine Vertragsstrafe kann zu laufen beginnen. Diese Bestimmunen treten erst wieder nach Ablauf einer Frist von einem Monat nach Ende der Schutzperiode in Kraft, d.h. ab dem 25. Juli 2020, vorausgesetzt natürlich, dass der Schuldner seiner Vertragspflicht nicht in der Zwischenzeit nachgekommen ist.

Beispiel: Im Rahmen einer Kündigungsklausel (clause résolutoire) hat Ihre Firma ihrem Schuldner eine Frist gesetzt binnen 10 Tagen ab dem 6. März 2020 eine Vertragspflicht zu erfüllen. Die Frist wäre während der Schutzperiode, am 16. März 2020, abgelaufen.

Diese Frist ist jedoch ausgesetzt und beginnt erst wieder am 25. Juli 2020 zu laufen, um am 3. August 2020 zu enden.

• Wenn eine Strafklausel oder Vertragsstrafe vor dem 12. März 2020 wirksam geworden ist, d.h. vor Beginn der Schutzperiode, wird sie während dieser Periode ausgesetzt und die Fristberechnung beginnt erst wieder ab dem 25. Juni 2020.

Beispiel: Ein Vertrag sieht vor, dass die Vertragserfüllung spätestens am 12.3.2020 zu erfolgen hat, anderenfalls wird eine Vertragsstrafe von 5000 € pro Tag fällig. Der Lauf dieser Vertragsstrafe wird ab dem 12. März 2020 bis zum 24. Juni 2020 ausgesetzt. Die Pönalen beginnen erst wieder am
25.Juni zu laufen.

Folglich muss jede Situation wie folgt geprüft werden:

• Wenn der Erfüllungszeitpunkt in die Schutzperiode fällt, wird der Beginn auf einen Monat nach Ende der Schutzperiode verschoben, d.h. bis zum 25. Juli 2020.

• Wenn die Strafklausel oder Vertragsstrafe vor dem 12. März 2020 Wirkung entfaltet hat, wird sie ausgesetzt bis zum Ende der Schutzperiode, d.h. bis zum 25. Juni 2020.

Kündigung von Verträgen oder Nichtverlängerung in der Schutzperiode

Wenn ein Vertrag innerhalb einer Frist, die in der Schutzperiode liegt, gekündigt werden kann, oder die Nichtverlängerung ausgesprochen werden müsste, um eine stillschweigende Verlängerung zu vermeiden, werden diese Perioden um zwei Monate nach Ende der Schutzperiode verlängert, d.h. bis zum 24. August 2020.

Beispiel: Ein Vertrag verlängert sich am 15. April jeweils um ein Jahr, es sei denn, er würde von einer Partei spätestens einen Monat vorher gekündigt. Der Beginn dieser einmonatigen Frist liegt innerhalb der Schutzzeit. Die Kündigung ist immer noch bis zum 24. August 2020 möglich.

Nicola Kömpf, Partner und Friedrich Niggemann, Of Counsel, German desk

COVID 19 und Kurzarbeit in Frankreich

Laut Art. R. 5122-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs können Unternehmen in Ausnahmesituationen Kurzarbeit beantragen.

Im Rahmen der allgemeinen sanitären Krise hat die französische Regierung diese Regelungen wie folgt angepasst:

Welche Folgen hat Kurzarbeit auf die laufenden Arbeitsverträge?

Während der Kurzarbeitsperioden wird der Arbeitsvertrag ausgesetzt, aber nicht beendet. Die Arbeitnehmer dürfen während dieser Zeit nicht arbeiten und auch nicht dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen.

Welchen Ausgleich erhält der Arbeitnehmer?

Der Arbeitnehmer erhält grundsätzlich vom Arbeitgeber 70% (mit einem Höchstwert von 4,5 des Mindestlohns (SMIC)) seiner vorherigen Bruttovergütung (d.h. ungefähr 84% seines Nettogehalts).

Diese Entschädigung soll zu 100% vom Staat getragen werden, ohne Anwendung der sonst geltenden Höchstwerte.

Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, das Gehalt bis zu 100% aufzustocken. Die Differenz ist in diesem Fall vom Arbeitgeber allein zu tragen.

Die Entschädigung, die vom Staat getragen wird, ist zu 100% Sszialabgabenfrei, bis auf den Solidaritätszuschlag von 6,2% auf 98,25% der Entschädigung.

Diese Entschädigung ist jedoch, wie jedes Einkommen, einkommenssteuerpflichtig.

Muss der „CSE“ Wirtschafts- und Sozialausschuss (früher Betriebsrat) vor Beantragung von Kurzarbeit informiert oder befragt werden?

Grundsätzlich müssen Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern den CSE vorab befragen. Ist dies nicht möglich, z.B. per Visiokonferenz, ist die Unmöglichkeit zu dokumentieren und die Befragung so bald wie möglich nachzuholen.

In Firmen mit weniger als 50 Arbeitnehmern ist keine Befragung, sondern nur eine Informationspflicht vorgesehen.

In Unternehmen ohne Personalvertretung sollten die Arbeitnehmer direkt, über die voraussichtliche Dauer der Kurzarbeit und die Anzahl und eventuelle Kategorie der betroffenen Arbeitnehmer informiert werden.

Wo muss der Arbeitgeber Kurzarbeit beantragen?

Alle Anfragen laufen über das spezielle Portal.

Grundsätzlich müssen die Anträge vor Umsetzung der Kurzarbeit gestellt werden, laut der letzten Verordnungen ist dies jedoch noch bis zu 30 Tagen nach Beginn der Kurzarbeit möglich.

Die Anfragen werden grundsätzlich binnen einer Frist von 15 Tagen bearbeitet.

Erhält man keine Antwort, gilt der Antrag als genehmigt.

Der Arbeitgeber muss den „CSE“ über die Antwort der Behörden informieren.

Wie ist der Antrag zu motivieren?

Eine einfache Bezugnahme auf das COVID 19 ist nicht ausreichend und kann zur Ablehnung des Antrags führen!

Es muss genau beschrieben werden, welche Konsequenz das COVID 19 präzise auf die Arbeitnehmer hat.

Drei Hypothesen sind zu unterscheiden:

– Unternehmen, denen das Öffnen untersagt ist

– Unternehmen, deren Tätigkeit als unerlässlich für die Nation eingestuft ist.

Diese Unternehmen müssen ganz besonders sorgfältig die Notwendigkeit von Kurzarbeit rechtfertigen (z.B. zu niedrige Anzahl von Arbeitnehmern aufgrund von Krankmeldungen, Unterbrechung der Lieferkette, etc.)

– Unternehmen ohne Publikumsverkehr und denen das Öffnen nicht verboten ist.

Auch hier muss eine besondere Erklärung vorliegen, sowie eine Erläuterung, warum Telearbeit nicht möglich ist.

Können ausländische Arbeitgeber von französischen Arbeitnehmern die Kurzarbeitsmaßnahmen in Anspruch nehmen?

Ja, insofern die französischen Arbeitnehmer dem französischen Sozialversicherungs- und Arbeitslosenversicherungssystem unterliegen.

Welche Strafen stehen auf Missbrauch von Kurzarbeit?

Arbeitgeber, die die Maßnahmen missbrauchen sollten, müssen nicht nur alle zu Unrecht bezogenen Zahlungen zurückzahlen, es können auch sämtliche öffentliche Hilfen bis zu 5 Jahren gestrichen werden und zuletzt droht eine Gefängnisstrafe bis zu 2 Jahren und 30.000 € Bußgeld.

Nicola Kömpf

COVID-19 im französischen Arbeitsrecht

Die französische Regierung hat keine Zeit verloren!

Sofort im Anschluss an die Verabschiedung des Notstandsgesetzes im Hinblick auf die Covid-19 Epidemie, hat der französische Ministerrat am Mittwoch, den 25. März, nicht weniger als 25 Verordnungen bezüglich Zivil-, Straf- und Verwaltungssachen erlassen, davon drei in Bezug auf das Arbeitsrecht.

Die erste enthält Notmaßnahmen bezügl. bezahltem Urlaub, Arbeitszeiten und Ruhetagen, die zweite passt vorläufig die Entschädigung der krankgeschriebenen Arbeitnehmer sowie die Zahlungsmodalitäten der Gewinnbeteiligungsprämien an, wobei die dritte Ersatzeinkommen betrifft.

Bezahlter Urlaub

Laut der neuen Ausnahmeregelung kann der Arbeitgeber bestimmen, wann die Arbeitnehmer ihren bezahlten Urlaub nehmen müssen, wenn vorab eine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde oder ein Branchen-Tarifvertrag, der dies vorsieht, Anwendung findet.

Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung, um eine solche Vereinbarung aufzusetzen, die es Ihnen erlaubt:

• Daten für bezahlte Urlaubstage (begrenzt auf höchstens sechs Werktage) für Ihre Arbeitnehmer, unter Berücksichtigung einer 24-stündigen Vorfrist, festzulegen oder schon geplanten Urlaub abzuändern,

• Die Aufsplittung der bezahlten Urlaubtage anzuordnen, ohne vorher das Einverständnis des Arbeitnehmers einholen zu müssen ;

• Vorübergehend den gleichzeitigen Urlaubsanspruch von Eheleuten, die in demselben Unternehmen arbeiten, auszusetzen, falls die Anwesenheit einer der Eheleute unabdingbar ist.

Arbeitszeit

Die Verordnung bestimmt diesbezüglich nur, dass eine Liste der Unternehmen « aus Sektoren, die besonders wichtig für die Sicherheit des Landes » und notwendig « für den Fortgang des Wirtschafts- und Sozialbereichs » zeitnah erlassen wird und dass für diese Unternehmen folgende Ausnahmeregelungen gelten bis zum 31. Dezember 2020:

• Die tägliche Arbeitszeit darf auf 12 Stunden maximal erhöht werden;

• Die tägliche Arbeitszeit für Nachtschichten darf auf 12 Stunden maximal erhöht werden, unter der Bedingung, dass eine ensprechende Ruhezeit eingeräumt wird;

• Die tägliche Ruhezeit darf auf 9 Stunden reduziert werden, unter der Voraussetzung, dass eine Ruhezeit eingeräumt wird, die der Ruhezeit entspricht, die der Angestellte dadurch nicht in Anspruch nehmen konnte ;

• Die maximale Wochenarbeitszeit darf auf 60 Stunden erhöht werden;

• Die maximale durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf über 12 aufeinanderfolgende Wochen auf 48 Stunden erhöht werden (44 Stunden für Nachtarbeiter);

• Die Sonntagsruhe kann durch einen anderen wöchentlichen Ruhetag ersetzt werden.

Arbeitgeber, die eine oder mehrere dieser Ausnahmeregelungen in Anspruch nehmen müssen umgehend durch jedwedes Mittel den CSE und die Direccte informieren.

Ruhetage

Der Arbeitgeber kann einseitig die Daten, an denen Tage, die der Reduzierung der Arbeitszeit dienen, (RTT) genommen werden müssen, bestimmen oder abändern, ebenso wie Ruhetage, die sich aus Jahrestages- oder Stundenpauschalen ableiten, sowie Ruhetage aus Zeitkonten der Angestellten, bis zu maximal 10 Tagen und unter Berücksichtigung einer 24-stündigen Vorfrist. Diese Möglichkeit gilt nur bis zum 31. Dezember 2020.

Entschädigung der Arbeitnehmer, die aufgrund der Epidemie krankgeschrieben sind

Die Verordnung, die vorübergehend die Entschädigung der Arbeitnehmer, die aufgrund der Epidemie krankgeschrieben sind, anpasst, ist nur eine neue Fassung der Ausnahmeregelungen, die schon durch verschiedene Dekrete im Februar und März 2020 veröffentlicht wurden, vor allem im Hinblick auf die Streichung der Karenztage und der Bedingung der einjährigen Firmenzugehörigkeit für die Differenzzahlung durch den Arbeitgeber.

Diese Verordnung, die ursprünglich bis zum 30. April 2020 vorgesehen war, wurde bis zum 31. August 2020 verlängert.

Gewinn- und Überschussbeteiligung

Diese Beträge werden im Allgemeinen vor dem 1. Tag des sechsten Monats nach Abschluss des Geschäftsjahres gezahlt, d.h. für ein Unternehmen, dessen Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, spätestens am 31. Mai.

Das späteste Datum für die Bezahlung der 2020 im Rahmen der Gewinn- und Überschussbeteiligung zugeteilten Beträge wird auf den 31. Dezember 2020 verschoben.

Arbeitslosenversicherung

Diese Verordnung erlaubt es Arbeitslosen, die zum 12. März 2020 das Ende ihres Arbeitslosengeldanspruchs erreicht haben, weiterhin die Unterstützung des Arbeitsamts zu beziehen, bis zu einem Datum, das durch eine Verordnung festgelegt wird, spätestens jedoch bis zum 31. Juli 2020.

Zu Ihrer Information: die Reform der Arbeitslosenversicherung, die zum 1. April 2020 in Kraft treten sollte, wird auf September 2020 verschoben.

Nicola Kömpf, Partner, Friedrich Niggemann, Of Counsel, Mathilde Gicquel, Angestellte Rechtsanwältin

Flash news aus Frankreich

DEFEKTE LIEFERUNG NACH FRANKREICH KANN ZUR HAFTUNG IM INSOLVENZFALL DES KUNDEN FÜHREN!

In einem Urteil vom 27. November 2019 hat der französische Kassationshof einen Lieferanten verurteilt, die finanziellen Konsequenzen der Insolvenz einer seiner Kunden zu tragen.

Der Lieferant hatte den Kunden mit mangelhaftem Klebstoff beliefert, die zum Rückruf von tausenden von Produkten beim Kunden und fast kompletten Umsatzverlust geführt haben.

Der Kunde hatte auf Schadensersatz gegen den Lieferanten geklagt, der die Mangelhaftigkeit stets zurückgewiesen und somit jede Entschädigung verweigert hat.

Fazit: der Kunde hat Insolvenz anmelden müssen und der Kassationshof hat eine direkte Kausalität zwischen der mangelhaften Ware und der Insolvenz festgestellt, die zu Schadensersatzansprüchen gegen den Lieferanten geführt haben.

Es ist also bei Mängelklagen zu beachten, welche Folgen diese haben können und gegebenenfalls zu versuchen, eine gütliche Einigung einem Gerichtsverfahren vorzuziehen.

JAHRESTAGESPAUSCHALEN ANSTELLE VON STRIKTEN ARBEITSZEITEN – ELDORADO ODER FALLE?

Die sog. „forfaits jours“ (Jahrestagespauschalen, d.h. der Arbeitnehmer arbeitet pauschal 218 Tage/Jahr unabhängig von der Stundenzahl) sind gerade bei ausländischen Arbeitgebern in Frankreich sehr beliebt, da es praktisch unmöglich ist, die genauen Arbeitszeiten der französischen Mitarbeiter auf Distanz zu verfolgen und zu überwachen.

Hier lauern jedoch erhebliche Gefahren. Insbesondere ist es nur zulässig, eine solche Jahrestagespauschale mit Mitarbeitern zu vereinbaren, die frei ihre Arbeitszeit organisieren können und insofern der anwendbare Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung diese Möglichkeit vorsieht.

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitslast des betroffenen Mitarbeiters zu verfolgen, sowie den notwendigen Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben zu sichern. Mindestens einmal im Jahr muss ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer stattfinden und protokolliert werden, etc.

Die entsprechenden Maßnahmen sollten im Tarifvertrag oder in der Betriebsordnung festgelegt sein.

Bitte beachten Sie, dass laut eines Urteils des französischen Kassationshofs vom 19. Dezember 2016, der Arbeitgeber die Beweislast für die Einhaltung der Maßnahmen trägt.

Haben Sie diese Gespräche dieses Jahr schon geführt?

Liegen Ihnen die Tabellen aller gearbeiteten/und nicht gearbeiteten Tage für 2019 vor?

Haben Sie die notwendigen Vorkehrungen getroffen, um Ihren Mitarbeitern eine ausgeglichene Work-Life Balance zu sichern?

Falls nicht, droht die Nichtigkeit der Vereinbarung der Jahrestagespauschale und ein Recht der Vergütung aller Überstunden ab 35 Stunden/Woche mit 2jähriger Verjährungsfrist.

VORSICHT BEI EINVERNEHMLICHEN VERTRAGSBEENDIGUNGEN („RUPTURE CONVENTIONNELLE“) IM FRANZÖSISCHEN ARBEITSRECHT

In jedem Fall ist zu beachten, dass eine „rupture conventionnelle“ nicht einer Aufhebungsvereinbarung eines Arbeitsvertrags nach deutschem Recht entspricht.

Der gesamte Vorgang mit Vorgespräch(en), Vereinbarung, Bedenkzeit (15 Kalendertage), gefolgt von einer Prüfungsfrist durch die Arbeitsaufsichtsbehörde (15 Werktage) ist sehr formell gestaltet und die Vereinbarung kann nur die Konsequenzen der Vertragsbeendigung (inkl. Entschädigung wegen Vertragsbeendigung) regeln, jedoch nicht alle weiteren Ansprüche ausschließen.

In einem Urteil vom 23. Januar 2020 hat der französische Kassationshof außerdem bestätigt, dass eine „rupture conventionnelle“ mit einem Arbeitnehmer, der von Mobbing betroffen und dadurch psychisch angeschlagen ist, durchaus für nichtig erklärt werden kann, wenn das Einverständnis des Arbeitnehmers dadurch beeinträchtig war.

Eine einvernehmliche Vertragsbeendigung mit einem französischen Arbeitnehmer ist daher immer vorsorglich gegen eine mögliche Kündigung, gefolgt von einem Vergleich, abzuwägen, denn Rechtssicherheit besteht bei „rupture conventionnelle“ nicht unbedingt.

BRAUCHT IHRE FRANZÖSISCHE TOCHTERGESELLSCHAFT (SAS – VEREINFACHTE AKTIENGESELLSCHAFT) IHREN ABSCHLUSSPRÜFER (COMMISSAIRE AUX COMPTES) NOCH?

Im Rahmen des PACTE Gesetzes vom 22. Mai 2019 werden die Schwellenwerte und Voraussetzungen für die zwingende Ernennung eines Abschlussprüfers erheblich erleichtert, um es Kleinst- und kleineren Firmen zu ermöglichen, Kosten zu sparen.

Handelt es sich um eine Tochtergesellschaft in Form einer SAS, deren Stammkapital zu mehr als 50% von der Muttergesellschaft gehalten wird, ist die Ernennung/Verlängerung des Mandats des Abschlussprüfers nicht mehr zwingend, wenn der Bilanzbetrag unter 2 Mio € liegt oder der Jahresumsatz weniger als 4 Mio € beträgt und die Firma weniger als 25 Angestellte beschäftigt.

Diese Bedingungen sind kumulativ, d.h. auch, wenn der Umsatz 4 Mio € übersteigt, die Arbeitnehmerzahl jedoch unter 25 liegt, ist die Ernennung des Abschlussprüfers nicht mehr zwingend.

Ein laufendes Mandat (6 Jahre nach französischem Recht) muss jedoch beendet werden, es sei denn, man einigt sich mit dem Abschlussprüfer auf einen reduzierten Auftrag.

Bei Gesellschaftsgründungen und anderen Gesellschaftsformen als „SAS“ gelten gegebenenfalls andere Schwellenwerte und Voraussetzungen.

EINSCHLÄGIGE ÄNDERUNGEN IM FRANZÖSISCHEN ZIVILPROZESSRECHT

Ab dem 01.01.2020 ist in Frankreich eine sehr weitreichende Zivilprozessrechtsreform in Kraft getreten.

Wesentliche Teile dieser Reform sind:

– Zusammenlegung der Amts- und Landgerichte (Tribunaux d’Instance et de Grande Instance), um ein erstinstanzliches „Tribunal Judiciaire“ zu gründen.

– Einführung der Anwaltspflicht bei einem Streitwert von mehr als 10.000 € vor dem „Tribunal judiciaire“, auch im Eilverfahren. Gleiches gilt für Verfahren vor dem Handelsgericht (Tribunal de Commerce), was eine Revolution im französischen Gerichtsbild darstellt.

– Einführung einer Verfahrensvariante ohne Verhandlungstermin im Einverständnis der Parteien.

– Ab jetzt sind erstinstanzliche Urteile grundsätzlich vorläufig vollstreckbar, was bislang nur auf Antrag möglich war, dem selten stattgegeben wurde.

Verfahrensstrategien sind zukünftig zu überdenken und den neuen Grundlagen anzupassen.

SEIT DEM 01.01.2020 GIBT ES KEINE BETRIEBSRÄTE (COMITÉ D’ENTREPRISE) MEHR – HAT IHRE FRANZÖSISCHE TOCHTERGESELLSCHAFT DEN NEUEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS (COMITÉ ÉCONOMIQUE ET SOCIAL – CSE) EINGERICHTET?

Laut der französischen Presse hat jede zweite Firma mit mehr als 10 Angestellten den neuen „CSE“ noch nicht eingerichtet, obwohl dies in allen französischen Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmern seit dem 01.01.2020 Pflicht ist.

Dieser CSE fasst die früheren Instanzen des Personalvertreters, Betriebsrats und des Hygiene- und Sicherheitsrats in einem Organ zusammen.

Die Konsequenzen eines fehlenden CSE, sind insbesondere:

– Der Arbeitgeber kann wegen eines Hinderungsdelikts (délit d’entrave) angezeigt werden (Art. L.2312-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs), das mit einer Gefängnisstrafe von max. 1 Jahr und einem Bußgeld von 7.500 € geahndet wird.

– Die Mandate der früheren Personalvertreter sind automatisch am 31.12.2019 um Mitternacht erloschen.

– Es gibt folglich keine Instanz mehr, die ordnungsgemäß informiert und konsultiert werden kann, was wiederum zu Schadenersatzansprüchen führen kann.

Die führenden Gewerkschaften haben einen Aufschub beim Ministerium für Arbeit gefordert, bislang ohne Erfolg.

Es ist daher dringend ratsam, umgehend das Verfahren zur Bildung eines CSE in jedem französischen Unternehmen mit mehr als 11 Arbeitnehmern einzuleiten.

Nicola Kömpf, Partner, Friedrich Niggemann, Of Counsel, Mathilde Gicquel, Angestellte Rechtsanwältin