Verbraucherrecht und Schiedsvereinbarung

06 November 2020
Nicola Kömpf, Friedrich Niggemann, Mathilde Gicquel

Auch wenn sich das Verbraucherrecht und die Schiedsgerichtsbarkeit nur selten begegnen, kommt es doch von Mal zu mal zu Situationen, in denen der Verbraucher, oft im Rahmen von AGB, einer Schiedsklausel zustimmt und dann im Streitfall versucht sich davon zu lösen.

Während die rigorose Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO diese Fälle im deutschen Recht bis auf wenige Fälle Abhilfe geschaffen hat , ist die Rechtslage in Frankreich komplizierter. Ein wichtiges, die bisherige Rechtslage änderndes Urteil der Cour de cassation vom 30.09.2020 ( Nr.18-19.241) gibt Anlass, den Hintergrund kurz zu beleuchten und die Entscheidung darzustellen.

Das französische Schiedsverfahrensrecht unterscheidet zwischen nationalen und internationalen Schiedsverfahren. Diese Unterscheidung wirkt sich auch beim Verbraucherschutz aus. Bei nationalen Schiedsverfahren bestimmt seit einem Gesetz aus dem Jahre 2016 Art. 2061 Abs. 2 Code civil, dass Schiedsvereinbarungen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher für den Verbraucher „optional“ sind; der Verbraucher kann entscheiden, ob er sich an die Schiedsvereinbarung gebunden fühlt oder nicht.

In internationalen Verfahren war die Rechtslage bis zu der hier behandelten Entscheidung des Kassationsgerichtshofs vom 30.09.2020 für den Verbraucher sehr viel nachteiliger. In zwei Entscheidungen aus den Jahren 1997 (21.05.1997, Nr. 95-11.427 „Jaguar“) und 2004 30.03.2004 (Nr. 02-123-259 „Rado“) hatte der Kassationsgerichtshof geurteilt, dass der Verbraucher an die Schiedsvereinbarung gebunden ist. Im ersten Fall ging es um ein in England bestelltes Jaguar Fahrzeug mit Spezialausstattung, in der Entscheidung aus dem Jahre 2004 um Finanzanlagen mit zwei US Banken in New York. Die Schiedsvereinbarungen sahen ein Schiedsgericht in England bzw. New York vor. Die französischen Gerichte lehnten es ab, die Schiedsvereinbarung genauer auf ihre Vereinbarkeit mit den französischen oder europäischen Verbraucherschutzvorschriften hin zu untersuchen. Das sei Aufgabe des Schiedsgerichts.

Die rechtlichen Begründungen dieser beiden Entscheidungen liegen in zwei Besonderheiten des französischen Schiedsverfahrensrecht begründet: Bei internationalen Schiedsverfahren unterliegt die Schiedsvereinbarung keinem nationalen Recht, sondern schöpft ihre Bindungswirkung aus den Grundsätzen des internationalen Rechts. Die Grenzen der Zulässigkeit werden durch den internationalen ordre public bestimmt.

Art. 2061 Code civil findet deshalb keine Anwendung auf internationale Schiedsverfahren.

Der zweite Grund liegt im Prinzip der negativen Kompetenz – Kompetenz, eine Folge der Einrede der Schiedsvereinbarung, Art. 1448 Code de procédure civile (CPC) i.V.m. Art. 1502 CPC. Danach müssen sich die ordentlichen staatlichen Gerichte bei Erhebung der Einrede für unzuständig erklären, es sei denn, das Schiedsgericht ist noch nicht mit der Sache befasst und die Schiedsklausel ist nicht offensichtlich unanwendbar oder offensichtlich unwirksam.

In der Entscheidung der Cour de cassation vom 30.09.2020 ging es um folgenden Sachverhalt: Eine in Frankreich ansässigen Erbin (Klägerin) eines in Spanien verstorbenen Erblassers hatte mit einem spanischen Rechtsanwaltsbüro einen Beratungsvertrag über erbrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dieser Erbschaft abgeschlossen. Die AGB des spanischen Rechtsanwaltsbüros enthielten eine Schiedsvereinbarung zugunsten der in Madrid ansässigen Schiedsorganisation CIMA. Die Erbin war mit den Leistungen des spanischen Rechtsanwaltbüros nicht zufrieden und verklagte es (neben weiteren Personen) vor dem Landgericht Nanterre auf Schadensersatz. Das beklagte Rechtsanwaltsbüro erhob die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit.

Bereits die Vorinstanz (Cour d’appel de Versailles) hatte die Einrede unter Berufung auf den zwingenden Charakter von Verbraucherschutzvorschriften zurückgewiesen und sich damit gegen die bisherige Rechtsprechung gestellt. Die Cour de cassation bestätigte das Urteil und ändert damit ihre bisherige Rechtsprechung.

Sie greift zu diesem Zweck nicht auf das französische, sondern auf das europäische Verbraucherrecht zurück. Die Argumentation nimmt ihren Anfang bei der EU Richtlinie 13/93 vom 5.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.

Die Cour de cassation prüft zunächst, aus welchem Grund eine EU Richtline auf diese Schiedsklausel überhaupt Anwendung findet. Sie findet die Begründung in Art. 6 Rl 13/93, der eigentlich nur die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten vorsieht, die Richtlinie konform umzusetzen, so dass die ungleichgewichtigen Vertragsbestimmungen den Verbraucher nicht binden. Allerdings zitiert der Kassationsgerichtshof das Urteil des EuGH vom 20.09.2018 (OTP Bank /OTP Faktoring, C 51/17, Zif. 89), wonach Art. 6 RL 13/93 einer zwingenden nationalen Vorschrift gleichzusetzen sei. Der Kassationsgerichtshof fügt, ebenfalls unter Hinweis auf das EuGH Urteil OTP (dort Zif. 86) unter Hinweis auf Art. 7 § 1 der Rl 13/93 und Erwägungsgrund 24 hinzu, dass der Verbraucherschutz im gemeinschaftsrechtlichen Normgefüge eine grundlegende Bedeutung habe. Den Verbrauchern müssen adäquate und wirksame Mittel und Wege zur Durchsetzung ihrer Rechte zur Verfügung stehen, wozu die Einleitung eines Gerichtsverfahrens unter vernünftigen Bedingungen zähle, insbesondere hinsichtlich der Kosten und der Fristen (EUGH 21.04.2016 Radinger,C 377/14 , Zif. 46).

Zwar hätten die Mitgliedsstaaten mangels einer europäischen Zivilverfahrensordnung eine verfahrensrechtliche Autonomie. Diese sei aber insofern beschränkt, als sie eine Äquivalenz der Rechtsdurchsetzung in europäischen Verfahren im Vergleich zu nationalen Verfahren gewährleisten müsse. Diese Mittel dürften die Rechtsdurchsetzung in der Praxis weder unmöglich noch außerordentlich schwierig machen. Der erwähnte Art. 1448 CCP dürfe dies nicht zur Folge haben. Das Berufungsgericht habe deshalb mit zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Schiedsklausel als offensichtlich missbräuchlich angesehen. Die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit wird deshalb zurückgewiesen.

Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern in internationalen Streitigkeiten sind damit nach französischem Recht unwirksam, zumindest, wenn sie sich in AGB befinden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Schiedsordnung fair oder unfair ist, ob sie die Rechts des Verbrauchers voll gewährleistet oder sie einschränkt. Weder der Kassationshof noch das Berufungsgericht haben diese Frage überhaupt geprüft.

Die Begründung der Entscheidung wirft, wie viele Entscheidungen der Cour de cassation, durchaus Fragen auf, die hier nicht behandelt werden können. Das Ergebnis ist jedoch eindeutig.

Zwei Ausnahmen von dieser Regel sind möglich oder vorstellbar: Wenn die Schiedsklausel „optional“ ist, also dem Verbraucher das Recht einräumt, alternativ die staatlichen Gerichte anzurufen, werden die Rechts des Verbrauchers nicht eingeschränkt.

Möglich erscheint auch, dass eine Schiedsklausel dann Bestand haben könnte, wenn sie speziell verhandelt worden ist. Der Grund dieser Annahme liegt darin, dass der Kassationshof zusätzlich zu den oben geschilderten Gründen im Rahmen eines weiteren Kassationsantrags noch geprüft hat, ob die Klausel im Einzelnen verhandelt wurde. Dies war jedoch nicht der Fall. Zu dieser Prüfung hätte keine Veranlassung bestanden, wenn es darauf nicht hätte ankommen können. Auch die Begründung mit der Richtlinie 13/93 deutet darauf hin. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Nachweis einer speziellen Verhandlung und Vereinbarung schwer zu führen sein wird – dem deutschen Juristen, der die Anforderungen an den Nachweis einer effektive Verhandlung über eine AGB Klausel kennt, ist das nichts Neues.

Nicola Kömpf, Partner, Friedrich Niggemann, Of Counsel und Mathilde Gicquel, Angestellte Rechtsanwältin, German desk