Flash Info – Sorgfaltspflicht – erste Verurteilung in Frankreich
Nicola KÖMPF & Mathilde GICQUEL
Während die Europäische Union in Kürze über eine „Sorgfaltspflicht-Richtlinie“ abstimmen wird und die Debatten darüber zwischen den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten hitzig sind, wurde in Frankreich zum ersten Mal eine Gesellschaft, „La Poste“ wegen verschiedener Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht, gemäß frz. Gesetzgebung, verurteilt und die praktische Umsetzung dieser Pflicht näher erläutert.
I. Rechtsrahmen in Frankreich
Vom Ansatz ähnlich dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, hat der frz. Gesetzgeber schon am 27. März 2017[1], nach dem Unglück in Rama Plaza in Bangladesch im Jahr 2013, ein Gesetz erlassen, das eine verstärkte Sorgfaltspflicht und insbesondere die Erstellung eines „Sorgfaltsplans“ für Gesellschaften vorsieht, die direkt oder indirekt über Tochtergesellschaften mehr als 5.000 Arbeitnehmer in Frankreich oder 10.000 Arbeitnehmer weltweit beschäftigen.
Dieser Plan soll die Risiken eines schwerwiegenden Schadens in der gesamten Wertschöpfungskette identifizieren und soweit möglich verhindern. Der Plan muss u.a. eine Abstimmung mit allen Beteiligten, eine Risikokartierung, ein Verfahren zur regelmäßigen Bewertung der Tochtergesellschaften, Subunternehmern und Zulieferer, angemessene Maßnahmen zur Risikominderung oder -vermeidung, einen Warnmechanismus und einen Sammelmechanismus für Warnmeldungen, die Überwachung der umgesetzten Maßnahmen und die Bewertung der Effizienz beinhalten.
Das französische Gesetz bleibt jedoch relativ vage, was die praktische Umsetzung dieser Sorgfaltspflicht betrifft.
Im Falle eines Verstoßes kann jede Person mit einem berechtigten Interesse die Gesellschaft abmahnen, die Vorschriften zu beachten. Wenn eine solche Abmahnung mehr als drei Monate erfolglos bleibt, kann das Landgericht („Tribunal Judiciaire“) entweder angerufen werden, um eine einstweilige Verfügung zu erwirken oder direkt eine Klage zur Hauptsache gegen die Gesellschaft erhoben werden.
II. Entscheidung des „Tribunal Judiciaire“ von Paris vom 5. Dezember 2023[2] (Sud PTT gegen La Poste)
In diesem Fall hatte die Gewerkschaft Sud PTT Klage bei dem „Tribunal Judiciaire“ von Paris auf Prüfung des Inhalts des Sorgfaltsplans der „La Poste“ erhoben.
Interessant an diesem Urteil ist, dass ein französisches Gericht zum ersten Mal den Inhalt der Sorgfaltspflicht präzisiert hat.
Laut dieser Entscheidung geht es nicht nur darum, eine Methode für die Kartographie der bestehenden Situationen zu erstellen, sondern präzise die praktischen Risiken aus jedem Vertrag der Kette herauszuarbeiten und die entsprechenden praktischen Maßnahmen, wie die Risiken vermindert oder vermieden werden können, gegenüberzustellen.
Jeder Zuliefervertrag muss in seiner praktischen Anwendung geprüft werden, was voraussetzt, dass alle Beteiligten, d.h. die Gewerkschaften sowie die Zulieferer, in die Risikobewertung und die Umsetzung der entsprechenden Gegenmaßnahmen eingebunden werden, was laut Gericht von der „La Poste“ versäumt wurde.
Weiter muss die praktische Umsetzung der Maßnahmen, sowie die Verfolgung von Warnhinweisen gesichert sein, um ein ordnungsgemäßes Risikomanagement zu gewähren und psychosoziale Risiken zu vermeiden.
Das Pariser Gericht hat folglich eine Verletzung der Pflichten durch die „La Poste“ festgestellt und diese aufgefordert, ihren Sorgfaltsplan entsprechend zu überarbeiten. Das Gericht hat jedoch nicht in den Plan eingriffen und hat keine präzisen Änderungen vorgegeben.
Diese Entscheidung ist interessant, weil es die Erste ist, sie der Sorgfaltspflicht klar einen praktischen Aspekt zugeordnet hat und präzisiert hat, dass alle Beteiligten einzubeziehen sind.
Ob die geplante EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht, die zunächst für den 9. und dann für den 14. Februar 2024 geplant war und nun auf ein noch unbestimmtes Datum verschoben wurde, nur theoretische oder die oben kommentierten praktischen Aspekte beinhalten wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall wird die Sorgfaltspflicht zweifellos ein Gesprächsthema bleiben, denn zukünftig werden die Schwellenwerte auch in Frankreich sinken und weitaus mehr Firmen als heute werden unter diese Vorschriften fallen.
Unser German Desk steht Ihnen jederzeit für Rückfragen oder weitere Auskünfte im Arbeits-, Gesellschafts-, Handels-, und Insolvenzrecht zur Verfügung.
Nicola Kömpf, Partner und Mathilde Gicquel, angestellte Rechtsanwältin.
[1] siehe Artikel L. 225-102-4 und 5 des französischen Handelsgesetzbuches.
[2] Tribunal Judiciaire de Paris, 5. Dezember 2023, n° 21/15827, Sud PTT c/ S.A. La Poste.